Unser Fasziennetzwerk ist erst seit 2003 in den Blickwinkel der Forschung getreten und hatte bis dahin ein Schattendasein geführt. Die Faszie wurde weithin als Füllmaterial unseres Körpers abgetan.
Mit dem ersten Faszienkongress 2007 an der Harvard Medical School in Boston hat sich das geändert. Einer der Mitinitiatoren Dr. Robert Schleip, Faszienforscher an der Uni Ulm, beschrieb in einem Radio-Interview Faszien aus der Sicht der Mediziner amüsanterweise als – unsexy. Man präparierte in der Vergangenheit das im toten Menschen langweilig aussehende Gewebe einfach weg, um an die interessanten Dinge heranzukommen.
Damals hatte man noch nicht die bildgebenden Mittel zur Verfügung, um Faszien zu messen. Zwar hatte man Ultraschall, doch konnte man nur die Dicke feststellen, nicht aber die Elastizität. Heute arbeitet man mit Scherwellen und Hochleistungsprozessoren, um Faszien zu messen und zu erforschen. Es ist ein faszinierender Blick in die Tiefen eines bisher unerforschten Bereichs der Medizin.
Mittlerweile gibt es wunderschöne, fast magische Aufnahmen des lebenden Fasziengewebes und seines Netzwerkes durch Dr. Jean-Claude Guimberteau (siehe YouTube - "strolling under the skin"), französischer plastischer Chirurg und Handchirurg, der mit einer Kamera in den menschlichen Körper ging, um Faszien zu beobachten und zu studieren.
Einige der Forschungsergebnisse des Faszienkongresses 2007 haben die Welt der Mediziner, aber auch die Welt der alternativen Heilmethoden und Yogis (Yin Yoga) die sich mit Faszien beschäftigen, auf den Kopf gestellt und aufhorchen lassen:
Die drei wichtigsten Ergebnisse:
1) Faszien bewegen sich! Sie können kontrahieren und sich entspannen.
Sie tun dies zwar langsamer als Muskeln, jedoch stetig.
2) Faszien haben alle Arten von Nervenenden und Schmerzrezeptoren.
Das Fasziengewebe ist somit kein „totes Gewebe“, sondern lebt als schmerzempfindliches, aktives Gewebe und bildet somit unser größtes Sinnesorgan. Darüber hinaus hat das Fasziengewebe sensormotorische Fähigkeiten, durch die man feststellen kann, wo man sich im Raum befindet.
Auszug aus Wiki mit Verweise auf Robert Schleip und Thomas W. Myers:
Tiefe Faszien sind weniger dehnbar als oberflächliche Faszien. Sie sind weniger durchblutet, jedoch hoch innerviert mit sensorischen Rezeptoren, die Schmerz signalisieren (Nozizeptoren), Bewegungsänderungen (Propriozeptoren), Änderungen von Druck und Schwingungen (Mechanorezeptoren), Änderungen des chemischen Milieus (Chemorezeptoren) sowie Temperaturschwankungen (Thermorezeptoren).
Viele tiefe Faszien sind in der Lage, auf eine entsprechende mechanische oder chemische Stimulation mit Kontraktion oder Entspannung sowie durch eine allmähliche strukturelle Reorganisation ihrer inneren Bauelemente zu reagieren.
3) Faszien kontrahieren unter Stress
Mit diesen Forschungsergebnissen waren und sind die Implikationen von Schmerz und Erkrankungen des Bewegungsapparates durch Stress unumgänglich und dass das Fasziennetzwerk eines der wichtigsten Gewebe unseres Körpers darstellt, von dem man noch so gut wie nichts weiß.
Eine kurze Aussage von Dr. Robert Schleip, wie man z.B. vielen Rückenschmerzen entgegenwirken könnte, war:
„Es wäre sicherlich hilfreich neben der Therapie ein stressfreieres Leben zu führen.“
Faszienergebnisse - Zusammengefasst und impliziert für Yin Yoga
Halten wir fest:
1) Fasziengewebe kontrahiert
Positiv:
Nachts und am Tag, weil es seine Aufgabe ist, das durch Alltagsbewegung gedehnte Gewebe wieder in den „Normalzustand“ zu versetzen.
Negativ:
Nach Verletzungen oder Ruhigstellungen, z.B. nach Operationen, kann ein Gelenk durch Kontraktur – lange Kontraktionen der Kapsel – unbeweglich werden. Jede Bewegung des Gelenkes löst dann Schmerzen in und rund um die Kapsel aus.
Kontraktionen durch Bewegungsmangel (Büroarbeit) können zu Fixierungen der Gelenke führen, z.B. der Fasettgelenke in der Lendenwirbelsäule. Fixierungen können fühlbar Verspannungsschmerzen in den Nerven der umliegenden Muskeln und Faszien auslösen.
Kontraktionen der Faszien, die Nerven umschließen, können diese komprimieren, was Schmerzen auslösen kann.
Lang anhaltende Kontraktionen im Fasziengewebe führen zur „Verfilzung“ oder „Verklebung“ des Gewebes, sprich, es werden zu viele Querverbindungen also mehr Kollagengewebe gebildet, das steifer, unbeweglicher und somit auch trockener wird. Die Bildung von mehr Gewebe ist eigentlich eine Schutzfunktion um den Muskel zu entlasten und die Struktur stabiler zu machen, kann aber zu steifem, trockenen (weil unterversorgt) und schmerzhaftem Gewebe führen.
Kontraktionen der Faszien können ausgelöst werden durch Stress. Besser gesagt sorgt Stress dafür den TGF (Transforming Growth Factor - Transformierender Wachstumsfaktor) im Körper anzuregen. Der TGF baut über eine längere Zeit den Körper um, z.B. produziert er mehr ungerichtete Kollagenfasern im gesamten Körper, was den Körper steifer werden lässt und ggf. schmerzhaft sein kann.
Die Implikation ist es, dass Stress z.B. für eine Reihe von Rückenschmerzen verantwortlich sein könnte.
Wenn wir uns vor Augen halten, dass an der Wirbelsäule 8 Schichten Bänder, Bandscheibe eingeschlossen, nach oben verlaufen, die die Wirbelsäule stabilisiert, dass ein zentraler Punkt an dem viele Faszienschichten zusammentreffen oder aufeinanderliegen (eingeschlossen der großen Rückenfaszie) der untere Rücken ist, keine absurde Vorstellung.
Kontraktionen oder Entspannung der Faszien, die die Organe umhüllen und verbinden, können sicherlich zu positiven oder negativen Wirkungen der Organfunktionen beitragen.
Kontraktionen entstehen u.a. auch durch ein saures Milieu. Basisches Milieu würde auch hier einen Beitrag zur Entspannung der Faszien liefern.
2) Faszien können sich entspannen
Schaffen wir das chemische Milieu, Temperatur, Druck-Dehnung-Schwingung = Bewegung, dann leisten wir einen guten Beitrag, die Faszien zu entspannen.
Jeder therapeutische Ansatz, wie auch unser Ansatz von Yin Therapy, sollte sich auf die ganzheitliche passive und aktive Bearbeitung des Körpers und des Geistes richten.
Würden wir einen pauschalen Gesundheitstipp geben, um glücklich, gesund und mobil alt zu werden, würden wir empfehlen:
„Ein gutes passives Yin Training, ein gutes aktives Yang Training und eine gesunde mentale Einstellung.“
(Markus Henning Giess & Karin Michelle Sang)
Eine Möglichkeit wäre Yin Yoga, Yang Yoga und Meditation zu praktizieren.